Nicole Hendriks: Herr Kukasch, die Förderung der Graphomotorik erhält in letzter Zeit einen immer größeren Stellenwert im Elementarbereich. Liegt das Erlangen der Schriftsprache, sowie der Umgang mit Stiften und Schreibwerkzeugen, nicht in der Verantwortung der Grundschulen ? Reiner Kukasch: Es geht in der Förderung der Graphomotorik in unserer Kita nicht um das Erlangen der Schriftsprache. Das Schreibenlernen ist ein komplexer Prozess, der von einer Vielzahl von Fähigkeiten anhängt. Den Kindern ganz unterschiedliche Erfahrungen zu ermöglichen und das Interesse am Lernen zu wecken, steht im Vordergrund unserer Arbeit. Voraussetzungen müssen im Elementarbereich geschaffen werden. Abläufe zur Bewegungsplanung und Umsetzung sind hierbei enorm wichtig. Der Umgang mit unterschiedlichen Stiften und Schreibwerkzeugen ist selbstverständlich originäre Aufgabe der Elementarpädagogik. N.H.: Wie wichtig ist Ihnen die Förderung der Graphomotorik, innerhalb Ihrer Kindertagesstätte und welche Erwartungen haben sie diesbezüglich an ihre Mitarbeiter/innen ? R.K.: Ich möchte diesen Bereich nicht überbewerten, die Gruppen sollten jedoch die Förderung der Graphomotorik als festen Bestandteil in ihrer pädagogischen Arbeit verankern. Das Wissen über die graphomotorische Entwicklung, die beim Erlangen der Schriftsprache eine Rolle spielt, macht eine spezielle Förderung überflüssig. Das bewusste Einsetzen von Förderungen im Kitaalltag reicht hierbei aus. Wissen über den eigenen Körper zu vermitteln, ein Körpergefühl zu entwickeln, den Wahrnehmungsbereich in allen Facetten zu fördern, Raumkonzepte zu erarbeiten, motorische Fertigkeiten zu R.K.: Es werden in unserer Einrichtung keine gesonderten zeitlichen und personellen Ressourcen geschaffen. Diese Aufgabe muss im Alltag einer Kindertagesstätte integriert sein. Der Tagesablauf einer Gruppe muss so organisiert und strukturiert sein, dass die Rahmenbedingungen, die für das Erlernen der Schriftsprache erforderlich sind, geschaffen werden. N.H.: Die Entwicklung und Förderung der Graphomotorik, eines jeden Kindes, liegt, wenn es die Kita neu besucht , ausschließlich im pädagogischen Bereich. Nicht jede Entwicklung verläuft jedoch immer störungsfrei. Woran können Sie feststellen, wann die pädagogische Unterstützung nicht mehr ausreichend ist und wie gehen Sie damit um ? R.K.: Wie bereits erwähnt, sehen | erweitern sind einige Zielsetzungen, um Fördermaßnahmen zu entwickeln, die im Alltag zum Erlangen der Schriftsprache eingesetzt werden können. N.H.: Sie betreuen in Ihrem Haus rund 90 Kinder im Alter von 4 Monaten bis 14 Jahren. Wann beginnt bei Ihnen die Unterstützung der Handgeschicklichkeit und zu welchem Zeitpunkt erfolgt eine gezielte Förderung ? R.K.: Werden Sozial-, Körper-, Raum-, und Objekterfahrungen als Basis betrachtet, um graphomotorische Lernprozesse zu erzielen, beginnt die Unterstützung der Handgeschicklichkeit mit der Aufnahme des Kindes. Bereits die sehr frühen selbständigen Aktivitäten des Streichelns, Waschens, Eincremes etc. sollten unterstützt werden. Körperteile, Körperseiten, Kreuzungen der Körperseiten werden so erfahren. Das Hantieren, Konstruieren und Gestalten mit Gegenständen ermöglicht Erfahrungen für Raum und Formerfassungen. Erste Schreibversuche starten Kinder bereits an Tafeln oder unterschiedlichen Hintergründen. (z.B. im Sandkasten). Sie ahmen das Schreiben von Einkaufszetteln oder Briefen nach. Eine individuelle Unterstützung orientiert sich also an der jeweiligen konkreten Lebenssituation, sowie an dem Entwicklungsstand des einzelnen Kindes. N.H.: In der Erzieherausbildung wir das Thema Graphomotorik, bisher nur sehr gering erarbeitet. Nun ist die Frage nahe liegend, wie sie sich in Ihrem Team das Wissen angeeignet haben, um Kinder in ihrer graphomotorischen Entwicklung zu unterstützen und bei Auffälligkeiten angemessen zu fördern ? R.K.: Das Interesse der Mitarbeiter an fachspezifischen Fortbildungen teilzunehmen ist der Schlüssel, um eine innovative wir es als unsere Aufgabe, Kinder in ihrer Entwicklung zu begleiten. Treten hierbei unterschiedliche Entwicklungsverzögerungen, die sich in Entwicklungsstörungen manifestieren können, auf, muss Ursachenforschung betrieben werden. Das Erkennen und Aushalten von Stärken und Schwächen in der Entwicklung von Kindern, sowie das Wissen über unterschiedliche Entwicklungsstadien, hilft hierbei eine gewisse Gelassenheit in der Arbeit zu zeigen und nicht bei jedem Handicap sofort nach therapeutischen Maßnahmen zu suchen. Reichen pädagogische Maßnahmen und Strategien jedoch nicht mehr aus, dies gilt für die Entwicklung und Förderung der graphomotorischen Entwicklung genauso, wie in allen anderen Bereichen unserer Arbeit, sollte eine Diagnose erstellt werden. Die weiteren Maßnahmen müssen mit den Eltern | und zeitgemäße Pädagogik vorantreiben zu können. Das Selbstverständnis sich im Berufsalltag weiterzubilden, ist ein wichtiges Instrument der Wissenserweiterung. Als Multiplikator trägt der Mitarbeiter dann das erlernte Wissen ins Team der Kita. Das so vermittelte Wissen wird Bestandteil der täglichen Arbeit und ermutigt auch andere Mitarbeiter, sich für Fortbildungen zu interessieren. N.H.: Wie sieht die Unterstützung der graphomotorischen Entwicklung eines Kindes im Detail aus und wie finden Förderungen für Kinder, die eine auffällige Handmotorik haben, statt ? R.K.: Anhand von gezielten Beobachtungen lassen sich individuelle Fördermaßnahmen der Kinder ableiten. Impulse zur Entwicklung von Eigenaktivität und Kreativität, nicht zum Hemmen von Phantasie und Aktivitäten sind erforderlich. Welche Interessen, Fähigkeitspotentiale und Erfahrungen bringen die Kinder mit ? Wie steht es mit der Motivation des Kindes, Schreiben zu lernen ? Es geht nicht darum, dass die Kinder gut funktionieren. Die ausgerichtete Inszenierung von Schreib- und Lernprozessen ist unsere zentrale Aufgabe. Lust zu wecken, seine Sinne zu gebrauchen, seinen Körper einzusetzen und damit alles zu benutzen, was Schreiben erleichtert. Mögliche Förderungen für Kinder, die eine auffällige Handmotorik haben, sind u.a. Tonus- und Gleichgewichtsregulation beispielsweise in Form von Kneten, räumliche Orientierungsfähigkeit zum Beispiel durch das Malen auf unterschiedlichen Unterlagen, Körperwahrnehmungen beispielsweise durch das Eincremen des eigenen Körpers. N.H.: Wie werden in Ihrer Tageseinrichtung zeitliche, sowie personelle Rahmenbedingungen geschaffen, um sich dieser Aufgabe zu widmen. abgestimmt werden. N.H: Welche Rolle spielen die Eltern dabei und wie werden sie ggf. mit einbezogen ? R.K.: Die Arbeit einer Kindertagesstätte ist familienergänzend und nicht ersetzend. Diese Ausgangslage setzt eine aktive und partnerschaftliche Elternarbeit voraus. Erst in einer vertrauensvollen Atmosphäre zwischen Einrichtung und Eltern kann ein offener und verbindlicher Austausch über die Entwicklung des Kindes erfolgen. Unser Selbstverständnis einer nondirektiven Elternarbeit , d.h. wir sprechen den Eltern ihre Erziehungskompetenz nicht ab, ist uns hierbei sehr hilfreich. N.H.: Herr Kukasch haben Sie vielen Dank für dieses aufschlussreiche und interessante Gespräch. |